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AKU: Tierarzt haftet nur, wenn Käufer beweist, dass er das Pferd mit Befunden nicht gekauft hätte

AKU: Tierarzt haftet nur, wenn Käufer beweist, dass er das Pferd mit Befunden nicht gekauft hätte

Ankaufsuntersuchungen (AKU) sollen das Leben eines Pferdekäufers eigentlich erleichtern. Das Fehlen von schriftlichen Protokollen führt nicht selten zum Streit darüber, worüber der Tierarzt den Käufer aufgeklärt hat. Ist schon das nicht klar, wird es noch schwerer sicher zu beweisen, dass er das Pferd mit bestimmten Befunden nicht gekauft hätte.

Wie lange sich solch ein Streit hinziehen kann, zeigt der Fall, der 2021 vom Landgericht (LG) Verden, 2022 vom Oberlandesgericht (OLG) Celle und 2023 vom Bundesgerichtshof (BGH) entschieden wurde – Ende bisher nicht absehbar.

Was war geschehen?

Die Klägerin hatte den später beklagten Tierarzt im August 2017 mit der AKU für damals vierjährigen Wallach beauftragt. Sie wollte das Pferd für 22.000 € erwerben. Unter anderem machte der Beklagte auf Bitten der Klägerin Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule und des Genicks, weil sie zuvor Probleme mit einem Pferd aufgrund von Befunden in diesem Bereich gehabt hatte. Nach der Untersuchung teilte der Beklagte der Klägerin mündlich mit, es hätten sich keine erheblichen Befunde ergeben.

Wenige Monate später zeigte der Wallach Koordinationsprobleme, sodass er nach Ansicht der Klägerin als Sportpferd nicht uneingeschränkt nutzbar war. Sie verklagte zunächst den Verkäufer auf Rückabwicklung des Kaufvertrags und Schadensersatz und später auch den Tierarzt auf Schadensersatz.

Das Gericht beauftragte einen Sachverständigen, der feststellte, dass „sporadisch zu beanstandende Unsicherheiten im Bewegungsablauf des Pferdes“ eine Folge „insuffizienter reiterlicher Ausbildung“ gewesen seien. In diesem Gutachten nahm der Sachverständige auch zu der AKU Stellung, bei der es einige Befunde gegeben habe, die der Tierarzt aber nicht gegenüber der Käuferin erwähnt hatte.

Dennoch wurde die Klage gegen den Verkäufer und den Tierarzt abgewiesen, weil das Gericht meinte, die Klägerin habe keinen Schaden. Nach der Einschätzung des Sachverständigen sei die Eignung des Pferdes als Dressurpferd wegen der wenig deutlich ausgeprägten Symptomatik nicht beeinträchtigt. Deshalb sei nicht festzustellen, dass die Klägerin einen für sie nachteiligen Vertrag geschlossen habe. Es spreche alles dafür, dass das Pferd nicht richtig ausgebildet worden sei, wofür der Tierarzt nicht verantwortlich gemacht werden könne.

Das sah das Berufungsgericht – das OLG Celle – anders und verurteilte den Tierarzt zur Zahlung von 44.886,81 € nebst Zinsen an die Klägerin. Das OLG hatte festgestellt, dass der Tierarzt bei einer AKU nicht nur verpflichtet sie, die Untersuchung ordnungsgemäß durchzuführen, sondern er habe seinem Auftraggeber auch deren Ergebnis, insbesondere Auffälligkeiten des Tieres, mitzuteilen. Den so skizzierten Verhaltensanforderungen sei er in Bezug auf den Röntgenbefund in mehrfacher Weise nicht gerecht geworden.

Die betreffenden Pflichtverletzungen seien für die Kaufentscheidung der Klägerin auch ursächlich gewesen, weil sie klar sagte, dass sie den Kaufvertrag nicht geschlossen hätte, wenn sie von den Befunden gewusst hätte. Gegen diese Feststellungen habe sich der Beklagte in der ersten Instanz vor dem Landgericht nicht ausreichend und rechtzeitig gewehrt; seine Ausführungen in der 2. Instanz seien daher verspätet und dürften nicht mehr berücksichtigt werden.

Die Revision hatte das OLG nicht zugelassen, sodass sich der Tierarzt wegen der Nichtzulassung beim BGH beschwerte. Die Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH hat durchschnittlich nur eine Erfolgsquote von 10 bis 15 % – eine sehr hohe Hürde.

Der Beklagte war trotz dieser ungünstigen Ausgangslage erfolgreich, der BGH hob das Urteil des OLG auf und verwies die Sache direkt an das OLG Celle zurück, weil der Anspruch des Tierarztes auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Grundgesetz (GG) verletzt sei.

Der BGH gab den OLG-Richtern schon mit an die Hand, dass sie die Ausführungen des Tierarztes hätten berücksichtigen müssen, auch wenn er sie erst in der Berufung gemacht habe. Schon das LG habe in erster Instanz nicht ausreichend darauf hingewiesen, dass es von dem Tierarzt mehr Details erwartete. Es habe vielmehr den Eindruck erweckt, dass es allein entscheidungserheblich sei, ob das Pferd Mängel habe, die seine Eignung als Dressurpferd beeinträchtigten. Demgegenüber war es für das LG irrelevant, ob der Beklagte jenseits von kaufvertraglich relevanten Mängeln eine Pflicht aus der AKU verletzt habe und diese Pflichtverletzung für den Vertragsschluss der Klägerin dem Verkäufer kausal geworden sei.

Der Tierarzt musste ohne ausdrücklichen Hinweis des Gerichts nicht von sich aus etwas zur Kausalität einer möglichen Pflichtverletzung bei seiner AKU im Hinblick auf den Abschluss des Kaufvertrags vortragen. Er durfte vielmehr darauf vertrauen, dass das Verfahren zu seinen Gunsten ausgeschrieben war und die Klage abgewiesen werden würde – wie es auch tatsächlich geschehen ist.

Fazit:

Die neuerliche Entscheidung des OLG Celle steht noch aus. Auch diese kann dann wieder mit der Revision zum BGH angegriffen werden. Ob die Richter in Celle ein zweites Mal die Revision nicht zulassen, bleibt abzuwarten.

Der Fall ist exemplarisch für das nicht seltene „Hin und Her“ bei Gerichten und den langen Weg zu einem Urteil und zu „seinem Recht“. Vor Ende 2024 ist mit einer Entscheidung des OLG wohl nicht zu rechnen, mit einer weiteren Runde beim BGH nicht vor Ende 2025. Dann läuft der Fall schon 8 Jahre. Allenfalls die Zinsen auf die rund 44.000 € machen die Sache dann lohnenswert, wenn die Klägerin doch wieder gewinnen sollte – über das Schicksal des Pferdes ist nichts weiter bekannt.

 

Rechtsanwältin Dr. Christine Conrad | www.conrad-recht.de

 

Veröffentlicht im horseWOman Magazin im Jahr 2024